Der Papst und die Medien

Der Papst und die Medien - ein überaus zwiespältiges Verhältnis, wie man auch beim Besuch von Papst Benedikt XVI. in Österreich gemerkt hat. An zwei Medien ist dies besonders festzumachen: Am ORF und an der APA. Dies ist insofern bemerkenswert, als der ORF seinen öffentlichrechtlichen Auftrag zu beachten hat - und die APA sonst eine 100% zuverlässige und seriöse Agentur ist, die getrost als Maßstab für journalistische Professionalität und Objektivität herangezogen werden kann.

Ignoranz auf www.orf.at

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Freitag früh: Papst Benedikt XVI. im Anflug auf Österreich. Alle Medien haben das als Hauptthema. Alle Medien? Nein! Der Staatsfunk ORF leistet erbittert Widerstand: Als einziges Online-Medium ignoriert die Internet-Seite des ORF auf www.orf.at den Papstbesuch bis ca. 9 Uhr komplett (s. Bild).

ORF: Kirchenkritik statt Berichterstattung

Auch die Fernsehberichterstattung ist eine absolute Zumutung. Die Moderatorin beschäftigt sich in erster Linie mit Kirchenkritik und Attacken auf den Papst - und so tun es ihr die meisten der Gäste im Papststudio gleich. Während vieler Wege von Papst Benedikt werden statt dem Papst bei den Menschen Diskussionen und Dokumentationen gezeigt. Wenn man den Papst LIVE sehen will, muss man auf die deutschen Sender, auf ZDF und am Bayern. Ein Armutszeugnis für den österreichischen Staatsfunk.

Auch die Diskutanten sprechen nicht immer für Qualität. Zwar gibt es Ausnahmen wie kirchliche Würdenträger oder den Theologen Paul Zulehner. Dafür sind auch Vertreter von "Wir sind Kirche" dabei, die sich ohne rechtes Niveau ausschließlich auf Kirchenkritik beschränken. Zulehner fragt darauf völlig zu Recht: "Wie kommen Sie eigentlich dazu, zu behaupten: 'Wir sind Kirche'? Wollen Sie behaupten ich bin nicht Kirche? Sind Bischöfe nicht Kirche? Sind Pfarrer nicht Kirche? Ist der Papst nicht Kirche?" Das zeigt recht gut die übertrieben egozentrische Einstellung dieser Plattform.

Auch die Kommentare, die im Rahmen der Aktion "Worte an den Papst" ausgestrahlt werden, sind meist von tiefer Niveaulosigkeit geprägt, beginnen mit Worten wie "Hallo, Herr Papst" oder "Ich bin ja eh schon aus der Kirche ausgetreten" und enden mit Skurrilitäten wie "Ich bin dagegen, dass Männer in der Kirche keine Kinder kriegen können".

APA: Unkorrigierte Falschmeldung

Ausgerechnet die APA hat sich aber einen einmaligen Lapsus mit ihrer erstmalig unkorrigierten Falschmeldung geleistet.

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Freitag, 18:32 Uhr: Über die APA kommt die Eiltmeldung: "Papstbesuch: Benedikt fordert von Politik Abtreibungsverbot". Was war passiert?

Papst Benedikt hatte wörtlich gemeint:

"In Europa ist zuerst der Begriff der Menschenrechte formuliert worden. Das grundlegende Menschenrecht, die Voraussetzung für alle anderen Rechte, ist das Recht auf das Leben selbst. Das gilt für das Leben von der Empfängnis bis zu seinem natürlichen Ende. Abtreibung kann demgemäß kein Menschenrecht sein - sie ist das Gegenteil davon. Sie ist eine 'tiefe soziale Wunde', wie unser verstorbener Mitbruder Kardinal Franz König zu betonen nicht müde wurde.

Mit alledem spreche ich nicht von einem speziell kirchlichen Interesse. Vielmehr mache ich mich zum Anwalt eines zutiefst menschlichen Anliegens und zum Sprecher der Ungeborenen, die keine Stimme haben. Ich verschließe nicht die Augen vor dem Problemen und Konflikten vieler Frauen und bin mir dessen bewusst, dass die Glaubwürdigkeit unserer Rede auch davon abhängt, was die Kirche selbst zur Hilfe für betroffene Frauen tut.

Ich appelliere deshalb an die politisch Verantwortlichen, nicht zuzulassen, dass Kinder zu einem Krankheitsfall gemacht werden und dass die in Ihrer Rechtsordnung festgelegte Qualifizierung der Abtreibung als ein Unrecht faktisch aufgehoben wird. "


Ein Blick genügt, um die Unsinnigkeit der EILT-Meldung der APA zu enttarnen. Der Papst hat wörtlich gemeint, er appelliert: "dass die in Ihrer Rechtsordnung festgelegte Qualifizierung der Abtreibung als ein Unrecht faktisch aufgehoben wird." Papst Benedikt fordert also keine Gesetzesänderung - ganz im Gegenteil: Er fordert die Einhaltung geltenden Rechts.

Dazu die geltende Rechtslage:

§ 96 Schwangerschaftsabbruch

(1) Wer mit Einwilligung der Schwangeren deren Schwangerschaft abbricht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr, begeht er die Tat gewerbsmäßig, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.
(2) Ist der unmittelbare Täter kein Arzt, so ist er mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, begeht er die Tat gewerbsmäßig oder hat sie den Tod der Schwangeren zur Folge, mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.
(3) Eine Frau, die den Abbruch ihrer Schwangerschaft selbst vornimmt oder durch einen anderen zuläßt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen.
§ 97 Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs

(1) Die Tat ist nach § 96 nicht strafbar,
1. wenn der Schwangerschaftsabbruch innerhalb der ersten drei Monate nach Beginn der Schwangerschaft nach vorhergehender ärztlicher Beratung von einem Arzt vorgenommen wird; oder [...]

Mehr Infos: www.sbg.ac.at/ssk/docs/stgb/stgb96_98.htm


Die österreichische Rechtslage verbietet also Abtreibung, garantiert aber unter bestimmten Bedingungen Straffreiheit. Abtreibung ist also in der österreichischen Rechtslage Unrecht - und nicht mehr und nicht weniger hat der Papst gefordert.

Damit ist die EILT-Meldung der APA eine Falschmeldung - die bedauerlicherweise entgegen den üblichen Usancen nicht korrigiert wurde - das erste Mal, soweit ich mich erinnern kann. Dies ist umso bedauerlicher, als dass dies nicht dem hohen Niveau und den selbst auferlegten hohen Maßstäben der APA entspricht, an deren Berichterstattung ich sonst jegliche Kritik zurückweisen würde.

Die Presse zu "Papst und Medien"

Treffend hat die Situation Dietmar Neuwirth in seinem Kommentar in der heutigen Presse formuliert, den ich zum Abschluss auszugsweise wiedergeben möchte:

Mit drei großen Reden hat Benedikt XVI. Marksteine gesetzt. Es muss bezweifelt werden, dass er gehört wurde. [...]

"[...] Aber dann ein Satz, der sich im Redemanuskript des Papstes über schlanke drei Zeilen erstreckt – was dann doch die Auffassungsgabe vieler übersteigt. BenediktXVI. direkt zu den erste Reihe fußfrei vor ihm sitzenden Regierungsmitgliedern im O-Ton: „Ich appelliere deshalb an die politisch Verantwortlichen, nicht zuzulassen, dass Kinder zu einem Krankheitsfall gemacht werden und dass die in Ihrer Rechtsordnung festgelegte Qualifizierung der Abtreibung als ein Unrecht nicht faktisch aufgehoben wird.“

Die wenig später in die Welt gesetzte überraschende Nachrichtenagentur-Schlagzeile gleichfalls im O-Ton: „Benedikt fordert von Politik Abtreibungsverbot.“ Wie auf Knopfdruck folgten zwischen Hysterie und Erregung angesiedelte Politiker-Enunziationen. Es hat offenbar nicht viel gefehlt, und ein parteipolitischer Funktionär hätte in der Hofburg Tür-knallend aus Protest den Saal verlassen. Der Pressesprecher des Papstes, dann von Kardinal Schönborn und schließlich der Wiener Erzbischof selbst mussten ausrücken, um die Berichte zurechtzurücken. Und darauf hinzuweisen, dass der Papst zwar ausdrücklich Abtreibung nicht nur als kein Menschenrecht sondern als das Gegenteil davon bezeichnet – mit keinem Wort aber das Aus für die Fristenregelung gefordert hatte.

Selten wurde offenbar, wie mechanisch, hohl, geistlos und abseits jeder Realität manchmal die sogenannte politische Debatte funktioniert. Euphemistisch gesagt: Wie sehr die Fähigkeit zur selektiven Wahrnehmung perfektioniert wurde. Deutlicher formuliert: Wie groß die Ignoranz und Intoleranz gegenüber allem ist, was dem Mainstream widerspricht. Wie gering das Unvermögen, zu hören, hinzuhören geworden ist.

Könnte es womöglich gar sein, dass sich weniger die katholische Kirche in einer Krise befindet als die heutige Gesellschaft insgesamt? Dass die langen Kolonnen von Minus-Zahlen in einschlägigen Kirchen-Statistiken auch als eine vielleicht schmerzhafte, aber insgesamt hilfreiche Abkehr von Quantität in Richtung Qualität zu lesen sind? Wenn das über Jahrhunderte christlich geprägte und sozialisierte Europa schon die Botschaft des Christentums so gar nicht mehr zu verstehen imstande ist, wie viel größer muss da das Nicht-Verstehen anderer Religionen wie beispielsweise des Islam sein? [...]"

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